Wissenswertes zum Botanischen Garten des KIT

Viele kennen in Karlsruhe “den” Botanischen Garten am Karlsruher Schloss hinter dem Bundesverfassungsgericht, ist er doch das prominente Aushängeschild der Fächerstadt. Aber die wenigsten kennen seinen wissenschaftlichen Abkömmling: den Botanischen Garten des KIT, direkt am Adenauerring, schräg gegenüber vom Wildparkstadion.

Im Laufe seiner wechselvollen Geschichte, die mit der Karlsruher Stadtgründung beginnt, hatte der Botanische Garten des KIT einige sehr prominente Väter, die in der damaligen wissenschaftlichen und politischen Welt einen außerordentlichen Ruf, bis weit über die Landesgrenzen hinaus, besaßen.

 1715-1825: Botanische Gärten als Teil der Residenz Karlsruhe

Schon bald nach der Stadtgründung 1715 schuf man in Karlsruhe botanische Gartenanlagen, sowohl als Lust- und Schaugärten als auch als wissenschaftliche Lehr- und Versuchsgärten. Im Laufe der ersten hundert Jahre wurden die Gärten u.a. von drei bedeutenden Botanikern geleitet, die neben der “Belustigung” an schönen Pflanzen viel für die botanische Forschung und Lehre geleistet haben.

Christian Thran (1701-1778)

Den Botaniker Thran kennen die Karlsruher meist nur indirekt, nämlich als den Urheber des berühmten Kupferstichs der historischen Fächerstadt. Er beteiligte sich 1731-33 an einer zweijährigen Afrika-Expedition, von der er viele botanische Exponate mitbrachte. 1733 veröffentlichte er das erste Pflanzenverzeichnis des Schlossgartens mit 2000 Pflanzenarten.

Joseph Gottlieb Kölreuter (1733-1806)

Wegen seiner erfolgreichen Kreuzungsversuche an Pflanzen gewinnt der Mediziner und Botaniker Kölreuter 1759 einen von der Zarin Katharina I. ausgelobten Preis (er brachte den Beweis, dass Pflanzen eine Sexualität besitzen). Seine Forschungsergebnisse veröffentlichte er erstmals 1761 in einem Buch über “das Geschlecht der Pflanzen” (bis 1766 folgen noch drei weitere Bände). Markgraf Karl Friedrich holte ihn 1763 auf Betreiben von Markgräfin Karoline Luise nach Karlsruhe.

Leider klappte es nicht mit der Zusammenarbeit mit den Hofgärtnern, die offensichtlich wenig Verständnis für seine botanischen Experimente hatten. Deshalb legte er 1769 sein Amt als Gartendirektor nieder. Er blieb aber in Karlsruhe und forschte bis an sein Lebensende (mit Unterstützung durch den Hof und private Sponsoren) weiter. Im Botanischen Garten des KIT sind seine bahnbrechenden Versuche heute noch nachvollziehbar – bilden sie doch eine wichtige Grundlage für Gregor Mendels Vererbungsregeln, die dieser hundert Jahre später veröffentlichte.

Carl Christian Gmelin (1762-1837)

Nach dem Tod von Markgräfin Karoline Luise (1783) wird der Mediziner und Botaniker Gmelin mit der Betreuung ihres naturwissenschaftlichen Nachlasses beauftragt, aus dem er das Markgräfliche Naturalienkabinett (das heutige Naturkundemuseum) begründet. Als Direktor der Botanischen Gärten unternimmt bzw. organisiert er mehrere Forschungsreisen, um Pflanzen für den Botanischen Garten zu sammeln.

In den Jahren 1806 bis 1826 veröffentlicht er vier Bände der “Flora Badensis Alsatica”, in denen er auf über 3000 Seiten die gesamte Flora zwischen Bodensee und Mosel nach dem System von Carl von Linné beschreibt. Eine Herzensangelegenheit Gmelins ist die Sorge um eine gut funktionierende Volkswirtschaft, insbesondere der Landwirtschaft. Aus diesem Antrieb heraus veröffentlicht er 1809 ein Buch mit dem Titel “Über den Einfluß der Naturwissenschaft auf das gesamte Staatswohl”. Dieses Buch mit 434 Seiten kann man fast schon als erzieherischen Appel an die Politik verstehen, mehr auf die vorhandenen Erkenntnisse von Medizin und Naturwissenschaften, insbesondere der Botanik zu hören.

1825-1883: Das Polytechnikum nutzt die Botanischen Gärten der Residenz

Mit der Gründung des Polytechnikums (dem heutigen KIT) 1825 ging die Verantwortung für die wissenschaftlichen Lehr- und Versuchsgärten an die neue Institution über. D.h. die Pflege der Orangerien und Schaugärten mit den repräsentativen exotischen Pflanzen blieb unter der Obhut des Hofs, während die botanische Forschung und Lehre von den Wissenschaftlern und Lehrkräften des Polytechnikums wahrgenommen wurde.

Leopold Just (1841-1891)

Nach seiner Promotion in Botanik in Breslau wechselt er 1870 zum Polytechnikum Karlsruhe und konzentriert sich schon bald auf die Einrichtung einer Landwirtschaftlichen Samenprüfungsanstalt. Es ging ihm hierbei um den Schutz der Landwirte vor schlechter Samenqualität aufgrund betrügerischer Manipulationen beim Samenhandel.

Nach seiner Promotion in Botanik in Breslau wechselt er 1870 zum Polytechnikum Karlsruhe und konzentriert sich schon bald auf die Einrichtung einer Landwirtschaftlichen Samenprüfungsanstalt. Es ging ihm hierbei um den Schutz der Landwirte vor schlechter Samenqualität aufgrund betrügerischer Manipulationen beim Samenhandel. In seiner Funktion als Direktor des Botanischen Instituts setzte er sich vehement beim Großherzog dafür ein, dass das Polytechnikum seinen eigenen Garten erhält, da es mit der Nutzung der Schaugärten für Lehr- und Forschungszwecke in all den Jahren immer wieder große Konflikte gab. Mit einem persönlichen, leidenschaftlichen Bittbrief 1879 an Großherzog Ludwig bekam er schließlich von diesem die Zusage, auf dem Gelände des höfischen Küchengartens am Durlacher Tor einen wissenschaftlichen Botanischen Garten aufzubauen.

1883: Die Technische Hochschule (heute KIT) erhält einen eigenen Botanischen Garten

Im Jahr 1883 konnten die Botaniker des Polytechnikums (ab 1885 Technische Hochschule) zwischen Kaiserstraße und Durlacher Allee, an der Stelle des heutigen Durlacher-Tor-Platzes offiziell einen eigenen Botanischen Garten in Betrieb nehmen. Das Gelände ist gegliedert in einen systematischen Teil, ein Arzneipflanzenquartier sowie drei Gewächshäuser verschiedener Größe. Im Gartengebäude im Zentrum des Botanischen Gartens befinden sich u.a. die Landwirtschaftlich-Botanische Versuchsanstalt und die Lebensmittelprüfung. Am südwestlichen Rand des Gartens (heute Kaiserstr. 2) wird im Jahr 1899 das Hauptgebäude des Botanischen Instituts eingeweiht.

Der Botanische Garten am Durlacher Tor muss sowohl im Ersten als auch im Zweiten Weltkrieg viele Zerstörungen verkraften. Nur dank des aufopferungsvollen Engagements der Botaniker konnte er jeweils am Leben bleiben.

Ludwig Klein (1857-1928)

1892 kommt Klein als Professor der Botanik von Freiburg nach Karlsruhe, wo er die Nachfolge von Leopold Just übernimmt. Ein sehr wichtiger Arbeits-Schwerpunkte für ihn ist die Forstbotanik. Aber seine große Leidenschaft ist die Autorenschaft für zahlreiche, populäre Botanik-Taschenbücher über Nutzpflanzen, Waldbäume, Unkräuter, Wiesenpflanzen, Ziersträucher, Gartenblumen, usw., die bis in die 1950er Jahre verlegt werden.

2019: Wie stellt sich der Botanische Garten des KIT heute dar?

Seit dem Jahr 1956 befindet sich der Botanische Garten des KIT am heutigen Standort (er musste „umziehen“, weil der Durlacher-Tor-Platz zum großen Verkehrsknotenpunkt erweitert wurde). Er dient heute als ein besonderes Bindeglied zwischen „Mensch“, „Natur“ und „Wissenschaft“.

Gewächshäuser im Botanischen Garten des KIT

Ohne den eigenen Botanischen Garten wären Forschung und Lehre am Botanischen Institut des KIT nicht denkbar.

In der Forschung sind Modellpflanzen notwendig, um Entwicklung, Wachstum und Stoffwechsel auf molekularer Ebene zu analysieren und auf der Basis dieses Wissens nutzbringende Anwendungen zu entwickeln. Aktuelle Forschungsschwerpunkte betreffen die Genom-Editierung, Stressphysiologie, Zellbiologie sowie die Erhaltung von Biodiversität.

Besonders für den Bereich Biodiversität sind nicht nur die Gewächshausanlagen für transgene Pflanzen wichtig, sondern auch der Bestand eines möglichst großen Artenspektrums in den anderen Gewächshäusern und auf dem Freigelände.

Freigelände im Botanischen Garten des KIT

Außerdem spielt die fachspezifische Kommunikation und der systematische Austausch von Pflanzenkulturen mit anderen Botanischen Gärten im In- und Ausland eine immer größer werdende Rolle, z.B. über den Verband Botanischer Gärten e.V. (www.verband-botanischer-gaerten.de).

Neben der Möglichkeit, den Garten für studentische Forschungsprojekte zu nutzen, erfüllt er eine Vielzahl weiterer Zwecke in der Lehre: er liefert nicht nur das Pflanzenmaterial für Praktika, sondern wird auch für Exkursionen und den Vergleich von Pflanzenformen genutzt. Dies betrifft vor allem die Bachelor- und Master-Studiengänge der Biologie und der Lebensmittelchemie im Bereich I des KIT. Von großer Bedeutung sind hierbei die vom Botanischen Garten für Abschlussarbeiten zur Verfügung gestellten Referenzpflanzen.

In der „Grünen Schule“ entwickeln Lehramtsstudierende pädagogische Angebote für Schulen aus dem Raum Karlsruhe und setzen diese in Zusammenarbeit mit diesen in die Praxis um. Dieses Angebot fördert zum einen die didaktische Ausbildung von zukünftigen Lehrern, zum anderen ermöglicht es Schülerinnen und Schülern, botanische Besonderheiten und ökologische Zusammenhänge zu erfahren und zu begreifen.

Was den Artenschutz betrifft, so wirkt der Botanische Garten des KIT schon seit vielen Jahren als „Arche Noah“ für bedrohte Pflanzenarten. Seine Sammlung der fast ausgestorbenen Europäischen Wildrebe ist sogar Teil des Nationalen Plans für pflanzengenetische Ressourcen und auch international anerkannt. An diesem Beispiel wird sichtbar, dass Schützen und Nutzen keine Gegensätze sind – wurden doch in diesen Reben spannende Immunitätsfaktoren gefunden, die nun züchterisch für den nachhaltigen Weinbau genutzt werden können. Die Forschung an Reben hat in Karlsruhe übrigens auch bereits außeruniversitäre Tradition: Adolph von Blankenhorn betrieb hier ein privates Weinforschungsinstitut und wurde von dem badischen Revolutionär Friedrich Hecker, der auch ein sehr guter Botaniker war, überzeugt, die Resistenzzüchtung mit Hilfe amerikanischer Reben zu begründen.

Neben seiner Funktion als „Werkzeug“ zur Arterhaltung dient der Botanische Garten des KIT auch als „Galerie“ vieler, interessanter Pflanzen, z.B.:

Mammutbaum im Botanischer Garten des KIT

   – Auf dem Freigelände steht ein ca. 25 Meter hoher Mammutbaum.

   – Eines der Gewächshäuser beherbergt das lebende Fossil Wollemie (Wollemia nobilis), das vor wenigen Jahren im australischen Regenwald entdeckt wurde. Die Pflanze ist mit den Dinosauriern ausgestorben, nur dieser Klon hat überlebt und wird in einer weltweiten Anstrengung mit Ablegern vor dem Aussterben bewahrt.

   – Ein Zuschauermagnet ist der riesige Baum der Reisenden (Ravenala madagascariensis), der im großen Tropengewächshaus (Höhe 14 Meter) bereits die volle Höhe erreicht hat.

   – Für die Evolutionsbiologie ist der Gnetum-Baum (Gnetum gnemon) sehr interessant, der als missing link zwischen Nackt- und Bedecktsamern gilt. Immer wieder kommen Forscher von anderen Universitäten, um DNS zu entnehmen.

Zu den vielfältigen Funktionen, die Botanische Gärten während ihrer Geschichte mehr oder weniger gut ausgefüllt haben, tritt nun eine neue hinzu: Sie dienen als Orte, an denen Forschung und Öffentlichkeit miteinander in Dialog treten können.

Obwohl Wissenschaft Teil der Gesellschaft ist, driften Wissenschaft und Öffentlichkeit immer weiter auseinander. Häufig werden neue Dinge abgelehnt, weil das nötige Wissen bzw. Verständnis dafür fehlt. Ein Land wie Deutschland, dessen wirtschaftliche und gesellschaftliche Erfolge so sehr von Bildung und Erfindergeist abhängen, kann sich solche Defizite nicht leisten.

Deshalb gibt es auf dem Gelände des Botanischen Gartens des KIT für die interessierte Öffentlichkeit seit 2004 regelmäßig Veranstaltungen, die seit 2017 auch vom Verein der Freunde und Förderer des Botanischen Gartens des KIT tatkräftig unterstützt werden. Unter anderem gibt es etwa monatlich eine Führung oder einen Fachvortrag mit dem Ziel, die jeweiligen Teilnehmer differenziert und durchaus auch kritisch an die aktuellen Fragen der botanischen Forschung heranzuführen.

Die Zukunftspläne finden Sie im Lagebericht zum Botanischen Garten des KIT.

Autoren: Josef Franz, Dr. Michael Riemann, Prof. Dr. Peter Nick