2021: Noemi Flubacher

Preisträgerin 2021: Noemi Flubacher


Masterarbeit in der AG Molekulare Zellbiologie am Botanischen Institut der Fakultät für Chemie und Biowissenschaften des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT):
„4-Hydroxyphenylacetic acid – a fungal polyketide suppressing plant defence“

Worum geht es?

Im Rahmen ihrer Masterarbeit untersuchte Noemi Flubacher die Interaktion und chemische Kommunikation zwischen dem pathogenen Pilz Neofusicoccum parvum und Weinreben der Gattung Vitis anhand der 4-Hydroxyphenylessigsäure (4-HPA), welche von N. parvum sekretiert wird. Ihre Erkenntnisse beschreibt sie folgendermaßen:

Neofusicoccum parvum ist ein weitverbreiteter Vertreter holzzersetzender Schadpilze, welche Erkrankungen des Rebstocks, sogenannte „grapevine trunk diseases“ (GTDs), verursachen können. Durch den Befall mehrjähriger Organe können schwere Symptome wie Stammnekrosen, Geschwüre, Wurzel- und Triebsterben hervorgerufen werden.

Von besonderem Interesse und Charakteristik für GTDs ist der Umstand, dass ein Befall mit N. parvum für lange Zeit unbemerkt und symptomlos verlaufen kann, da eine Infektion nicht konform der Koch-Postulate notwendigerweise direkt Symptome verursacht. In dieser ersten latenten Phase der Infektion besiedelt das Pathogen den Wirt Endophyten-ähnlich, bevor die schwere Symptomatik in der zweiten, tödlichen Phase auftritt. Faktoren, welche diese Latenz der Infektion etablieren und aufrechterhalten, sind bislang jedoch nicht charakterisiert worden.

In dieser Arbeit wurde experimentell an Rebstöcken im Botanischen Garten des KIT gezeigt, dass 4-HPA die pflanzliche Abwehr der Weinrebe unterdrückte und das Wachstum des Pilzes im Rebstock förderte. Des Weiteren konnte aus dem direkten Vergleich mit dem Pflanzenhormon Auxin geschlussfolgert werden, dass 4-HPA Auxin-reaktive Rektionen zur Unterdrückung der Pflanzenabwehr induzierte. Dies weist darauf hin, dass 4-HPA ein vielsprechender Faktor für die Latenz der ersten Phase von N.parvum-induzierten GTDs ist. Damit stellt die Forschung dieser Arbeit Erkenntnisse zum frühen Verlauf von GTDs dar.

Dies ist in Bezug auf Nachhaltigkeit von besonderer Relevanz, da der regionale Weinbau im Gebiet Oberrhein, aber auch weltweit, zunehmend durch GTDs bedroht wird. Diese einzigartigen Kulturlandschaften bieten jedoch einen besonderen Lebensraum für eine artenreiche Flora und Fauna. Insbesondere heiße und trockene Sommer, wie sie in den letzten Jahren vermehrt auftraten, sorgen für Ausbrüche von GTDs, da der Übergang der latenten Phase in die tödliche Phase des Befalls von pflanzlichen Stress-Signalen induziert wird.

Das Verständnis über die Interaktion zwischen Wirt und Pathogen kann helfen, bereits infizierte, aber noch latente Rebstöcke früh zu erkennen, um damit eine bessere Kontrolle über die Ausbreitung des Schadpilzes in einem Bestand zu erhalten und daraus resultierend gezielte Maßnahmen zu ergreifen. Dadurch ist es einerseits möglich, Neuinfektionen einzugrenzen und andererseits den (falschen) Einsatz von Spritzmitteln bei symptomatischen Rebstöcken zu verhindern, welcher eine Umweltbelastung darstellt.

Erkenntnisse aus der physiologischen Untersuchung der Auswirkung von einer N. parvum-Infektion und der Rolle von 4-HPA auf die Weinrebe können zudem als Grundlage für die Züchtung weniger anfälliger oder gänzlich resistenter Sorten genutzt werden. Somit kann auf langfristige Sicht die Weinrebe und der mit ihr verbundene Weinbau trotz des steigenden Drucks durch Schadpilzbefall und GTDs erhalten werden.