Der Verein „Freundeskreis Botanischer Garten am KIT e.V.“ schreibt seit 2021 im Gedenken an Joseph-Gottlieb Kölreuter jährlich einen Preis für herausragende studentische Abschlussarbeiten aus, die sich mit einem botanischen Thema befassen. Ein inhaltlicher Bezug der Arbeit zum Botanischen Garten des KIT, vor allem im Hinblick auf neue Ideen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit in Landwirtschaft, Natur- oder Umweltschutz, ist von der Bewerberin oder dem Bewerber überzeugend darzustellen.
Bisherige Preisträgerinnen und Preisträger:
- 2021: Noemi Flubacher, Botanisches Institut, KIT: 4-Hydroxyphenylessigsäure – ein Pilz-Polyketid unterdrückt die Pflanzenabwehr
- 2022: Daniel Strauch, Institut für Geographie und Geoökologie, Karlsruher Institut für Technologie: Pflanzengesellschaften entlang eines Höhengradienten in den Berchtesgadener Alpen und deren Veränderungen zwischen 2007 und 2020 vor dem Hintergrund des Klimawandels
Die Arbeiten der Preisträger:
2021: Noemi Flubacher
Masterarbeit in der AG Molekulare Zellbiologie am Botanischen Institut der Fakultät für Chemie und Biowissenschaften des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT):
„4-Hydroxyphenylacetic acid – a fungal polyketide suppressing plant defence“
Worum geht es?
Im Rahmen ihrer Masterarbeit untersuchte Noemi Flubacher die Interaktion und chemische Kommunikation zwischen dem pathogenen Pilz Neofusicoccum parvum und Weinreben der Gattung Vitis anhand der 4-Hydroxyphenylessigsäure (4-HPA), welche von N. parvum sekretiert wird. Ihre Erkenntnisse beschreibt sie folgendermaßen:
parvum ist ein weitverbreiteter Vertreter holzzersetzender Schadpilze, welche Erkrankungen des Rebstocks, sogenannte „grapevine trunk diseases“ (GTDs), verursachen können. Durch den Befall mehrjähriger Organe können schwere Symptome wie Stammnekrosen, Geschwüre, Wurzel- und Triebsterben hervorgerufen werden.
Von besonderem Interesse und Charakteristik für GTDs ist der Umstand, dass ein Befall mit N. parvum für lange Zeit unbemerkt und symptomlos verlaufen kann, da eine Infektion nicht konform der Koch-Postulate notwendigerweise direkt Symptome verursacht. In dieser ersten latenten Phase der Infektion besiedelt das Pathogen den Wirt Endophyten-ähnlich, bevor die schwere Symptomatik in der zweiten, tödlichen Phase auftritt. Faktoren, welche diese Latenz der Infektion etablieren und aufrechterhalten, sind bislang jedoch nicht charakterisiert worden.
In dieser Arbeit wurde experimentell an Rebstöcken im Botanischen Garten des KIT gezeigt, dass 4-HPA die pflanzliche Abwehr der Weinrebe unterdrückte und das Wachstum des Pilzes im Rebstock förderte. Des Weiteren konnte aus dem direkten Vergleich mit dem Pflanzenhormon Auxin geschlussfolgert werden, dass 4-HPA Auxin-reaktive Rektionen zur Unterdrückung der Pflanzenabwehr induzierte. Dies weist darauf hin, dass 4-HPA ein vielsprechender Faktor für die Latenz der ersten Phase von N.parvum-induzierten GTDs ist. Damit stellt die Forschung dieser Arbeit Erkenntnisse zum frühen Verlauf von GTDs dar.
Dies ist in Bezug auf Nachhaltigkeit von besonderer Relevanz, da der regionale Weinbau im Gebiet Oberrhein, aber auch weltweit, zunehmend durch GTDs bedroht wird. Diese einzigartigen Kulturlandschaften bieten jedoch einen besonderen Lebensraum für eine artenreiche Flora und Fauna. Insbesondere heiße und trockene Sommer, wie sie in den letzten Jahren vermehrt auftraten, sorgen für Ausbrüche von GTDs, da der Übergang der latenten Phase in die tödliche Phase des Befalls von pflanzlichen Stress-Signalen induziert wird.
Das Verständnis über die Interaktion zwischen Wirt und Pathogen kann helfen, bereits infizierte, aber noch latente Rebstöcke früh zu erkennen, um damit eine bessere Kontrolle über die Ausbreitung des Schadpilzes in einem Bestand zu erhalten und daraus resultierend gezielte Maßnahmen zu ergreifen. Dadurch ist es einerseits möglich, Neuinfektionen einzugrenzen und andererseits den (falschen) Einsatz von Spritzmitteln bei symptomatischen Rebstöcken zu verhindern, welcher eine Umweltbelastung darstellt.
Erkenntnisse aus der physiologischen Untersuchung der Auswirkung von einer N. parvum-Infektion und der Rolle von 4-HPA auf die Weinrebe können zudem als Grundlage für die Züchtung weniger anfälliger oder gänzlich resistenter Sorten genutzt werden. Somit kann auf langfristige Sicht die Weinrebe und der mit ihr verbundene Weinbau trotz des steigenden Drucks durch Schadpilzbefall und GTDs erhalten werden.
2022: Daniel Streich
Masterarbeit am Institut für Geographie und Geoökologie (IFGG) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT):
„Pflanzengesellschaften entlang eines Höhengradienten in den Berchtesgadener Alpen und deren Veränderungen zwischen 2007 und 2020 vor dem Hintergrund des Klimawandels“
Worum geht es?
Daniel Streich erläutert: Die letzte Dekade war weltweit die wärmste seit Beginn der Temperaturaufzeichnung – Forschungen zum Klimawandel sind daher drängender als je zuvor. Aus botanischer Sicht ist dabei besonders die Vegetation der Hochgebirge von Interesse, da das Wachstum und die Reproduktion der in der Höhe lebenden Pflanzen stark durch abiotische Umweltfaktoren determiniert sind.
Um die spannenden Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die Vegetation zu untersuchen, durfte ich hier ansetzen und die Veränderung von Pflanzengesellschaften vor dem Hintergrund des Klimawandels im Rahmen meiner Masterarbeit erforschen.
Hierzu habe ich alle Gefäßpflanzenarten entlang eines Höhengradienten aufgenommen und diese Daten mit denen einer Voruntersuchung aus dem Jahr 2007 verglichen. Aus den Ergebnissen ließ sich u.a. schlussfolgern, dass eine Beteiligung des Klimawandels an der gefundenen zeitlichen Vegetationsveränderung anzunehmen ist.
An dieser Stelle besteht eine gedankliche Verknüpfung zur Nachhaltigkeit: Denn was nützt beispielsweise die effizienteste Waldbewirtschaftung, das effektivste Gebietsmanagement, oder das ausgeklügelteste Artenhilfsprogramm, wenn die Auswirkungen des Klimawandels dabei unberücksichtigt blieben?
Daher sind auch die Ergebnisse meiner Masterarbeit vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit bedeutsam. Denn sie zeigen die Verletzlichkeit des biotischen Systems vor klimatischen Veränderungen auf und sind einmal mehr ein Weckruf für uns Menschen, fossile Energieträger gegen nachhaltige, regenerative Energieformen zu ersetzen und sich aktiv für den Schutz unserer Umwelt einzusetzen.